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DIE 24 - WUNDERTÜTE FÜR WOHNTRÄUME

Es gibt Leute, die vom Wohnen träumen. Nicht von irgendwas im Nirgendwo, nein. Vom Sein mittendrin «im Kuchen» der Berner Altstadt. Dort, wo Stadt auch Dorf ist, dort, wo man sich kennt, grüsst und zum kleinen Schwatz gerne stehen bleibt.



Aus dem Tagebuch einer gelungenen Rückführung

Es war an jenem Samstag in der Berner Altstadt; das spätsommerliche Prachtwetter bescherte dem traditionellen Münstergass-Märit einen regen Besuch und so hatte auch der dort langjährig tätige Metzgermeister aus einer Landgemeinde, zusammen mit seiner Frau, im Verkaufswagen alle Hände voll zu tun. - Endlich hatten sie es geschafft, alles aufgeräumt und geordnet. Noch blieb ihnen etwas Zeit; Zeit für einen kleinen Rundgang über den belebten Münsterplatz.



«Aha, lueg da», war zu vernehmen, angesichts eines der neu von der Stadt Bern erarbeiteten und hier im Laubenbogen befestigten, dreisprachigen Hinweisschildes. Aufmerksam geworden und halt auch etwas gwunderig, begannen sie zu lesen: «Münstergasse 24. Das herrschaftliche Wohnhaus wurde um 1745 erbaut…» und so waren sie am Ende auch ein bisschen stolz, zu ihrem gemachten Märit-Umsatz auch gleich noch eine Prise Altstadt-Geschichte mit nach Hause nehmen zu können.



Nebenan setzte sich eine junge Frau mit einem Ansichtsexemplar des «Vierjahresberichts» der Denkmalpflege der Stadt Bern in Händen auf den Laubenabsatz. Als Neuzuzügerin hatte sie, nach langer Durststrecke auf einer Warteliste der Vermieterin, mit viel Glück an der Münstergasse 24 in eine der beiden Dachwohnungen einziehen können. Mangels einer Dachterrasse hatte sie vorgezogen, an der herrlichen Mittagssonne sich in ihre Broschüre einzulesen, waren doch während der Umbauphase das Haus Nr. 24 und die Denkmalpflege ein fortan unzertrennliches Gespann im «Bautagebuch» von AHA, des bei den Arbeiten massgebenden Architekten, Alexander Hadorn.



Bern, als Ressource besonderer Art, mit einer wertvollen, lebendigen Altstadt - international als UNESCO-Weltkulturerbe wahrgenommen - und demzufolge mit entsprechend hoch gelegter Latte bei Sanierungen und Renovationen, war beim beträchtlichen Bauvorhaben roter Faden und Verpflichtung zugleich. Sowohl die private Bauherrschaft wie die involvierten Architekten, wissend um die zu meisternden Vorgaben, haben sich mit den Herren J. Keller (städtische Denkmalpflege), A. Lüscher (archäologischer Dienst), S. Cibien und P. Gügi (Bauinspektorat) sowie L. Calavitta (Architekt und Bauleiter) im Jahr 2006 zum anspruchsvollen Projekt zusammengerauft. Das Ziel: Rückführung eines zuletzt als Verwaltungsgebäude verwendeten Hauses in eine zonenkonforme Wohnnutzung mit Geschäften im Erdgeschoss. Also dann, schreiten wir in unserem heutigen Blog kritisch zur Tat und tauchen vorgängig in die vielfarbige Vorgeschichte des Hauses ein!



Hausgeschichte im Zeitraffer. Um das Jahr 1745 erbaut an der damals so genannten Kirchgasse. Zusammenfassung zweier, vorbestehenden Handwerkerwohngebäude zu einer Liegenschaft, der heutigen Nr. 24. Die Fassadenfront stammt vermutlich von Albrecht Stürler. In der Restaurationszeit waren Ober- und Chorgericht eingemietet. 1831 bis 1835 dann die Knabenschule der Münstergemeinde. Das Konservatorium für Musik von 1895 bis 1940. Ab 1941 zuerst die Städtische Pensionskasse und letztendlich (vor Verkauf des Gebäudes im Jahr 2006) die Liegenschafts- und Steuerverwaltung des Kantons Bern.



Raum- Baubeschrieb. Markante Eingangstür mit tiefem (heute beheizten) Korridor. Links und rechts davon je ein Ladenlokal (ebenerdig). Grosszügiger Raum für Kinderwagen und Fahrräder. Untergeschoss mit grossem Gewölbekeller und Abteilen für die Mieterschaft (ein Keller davon diente seinerzeitig dem Obergericht als Tages-Arrestzelle). Im ersten, zweiten und dritten Oberschoss je eine Wohnung mit Eingangshalle und zwei grossen Räumen platzseitig, zusätzlich mit Wohnküche und Bad/WC. Diverse Réduits, eine Terrasse im Innenhof sowie Wasch-Türmen (in den ehemaligen Toiletten, mit ihren gebogenen (!) Holztüren) im Treppen-Aufgang.



Rollstuhlgängig dank Lift bis ins dritte Obergeschoss. Ab dort Weiterführung mit gerader Treppe ins Dachgeschoss. Speziell zu erwähnen ist das Treppenhaus, bei beschriebener Liegenschaft ein veritables, hofseitiges Treppen-Haus - ohne die in der Altstadt meist anzutreffenden Wendeltreppen – mit einem guten und beschwingenden Gefühl beim Treppensteigen.



Im Dachgeschoss angekommen, dürfen wir einen Blick in eine der beiden neu eingebauten 2 1/2-Zimmer-Wohnungen mit Galerie werfen. Die Brandmauern, Kaminzüge und die gesamte Dachkonstruktion wurden sichtbar belassen, eine gegen den Essbereich offene Küche, ein Bad/WC, resp. Dusche, plus Waschturm machen die Wohnung zum «all in one» und begehrenswerten Wohnobjekt.



Mit neu eingebrachter Bodenheizung unter dem schwimmend verlegten Eichen-Massivparkett. Den Hohlraum und Übergang zur seitlichen Sandsteinwand hat man sinnigerweise mit Kieselsteinen hinterfüllt und so auch gleich die darunter eingelegten Leitungen von Licht und Telefon unsichtbar und stets zugänglich gehalten. Hinter den Balken angebrachte Leuchten lassen das Licht weich und flach über die typische Standsteinstruktur der ca. 65 cm starken Brandmauern gleiten.



Gasheizung und Warmwasserversorgung im vierten Obergeschoss. Das Dach erhielt eine stark ausgebildete Dämmung (Isolation); die alten Ziegel wurden soweit als möglich wiederverwendet; zusätzliche Felder mit dichten Glasziegeln zur besseren Ausleuchtung der Galerie im fünften Geschoss mit uneingeschränkter Untersicht auf die beeindruckende, originale Balkenlage aus alter Zeit (aus denkmalpflegerischen Gründen konnten zum Bedauern der Mieter*innen keine zusätzlichen Dach/Drehklappfenster eingebaut werden).

So ist es damals, bedingt durch all die vielen aufwändigen und zeitintensiven Arbeitsgänge, unterdessen Ende April 2007 geworden; die Maler hatten ihre Geräte und Farbkübel zusammengepackt und zum Rückholen bereitgestellt, die Lappen und Gerätschaften der Putzequipen lagen zum Trocknen ausgelegt und die Erstmieter*innen, so auch die in ihren Vierjahresbericht vertiefte junge Frau, standen samt Zügelmännern erwartungsvoll auf der Gasse, vor ihrer «erträumten Wundertüte», in den Startblöcken...

sw


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